Als „gerecht und einfach“ (Südwestrundfunk) bezeichnen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das neue Gebührensystem, das ab Januar bekanntlich eine einheitliche Haushaltsabgabe an Stelle der bislang gerätebezogenen Tarife vorsieht. Aus Sicht der Ulmer Wirtschaftswissenschaftlerin Gerlinde Fellner ist es noch mehr: „Es ist ein cleveres System und wohl deswegen haben neben Deutschland auch andere Länder auf diese Methode umgestellt“, sagt die Professorin mit dem Forschungsschwerpunkt Verhaltensökonomik.
Sie muss es wissen. Über fünf Jahre hinweg hat sie sich in einer aufwendigen Studie mit dem Thema Rundfunkgebühren beschäftigt, allerdings in ihrem Heimatland Österreich. Was indes aufgrund vergleichbarer Verhältnisse unerheblich sein dürfte. „Wie können potenzielle ‚Schwarzseher‘ am ehesten veranlasst werden, ihre Radios und Fernsehgeräte anzumelden?“ Das war die zentrale Fragestellung ihrer Untersuchung, in die knapp 50 000 Haushalte einbezogen worden sind.
Im Auftrag des österreichischen Gebühren Info Service (GIS) übrigens, dem dortigen Pendant zur deutschen Gebühreneinzugszentrale (GEZ).
„Dabei standen drei mögliche Strategien zur Wahl“, berichtet die Diplom-Psychologin und promovierte („summa cum laude“) Volkswirtschaftlerin: Ein Hinweis auf die rechtlichen Konsequenzen einer Nicht-Anmeldung, eine so genannte soziale Information in Form eines Hinweises auf den hohen Prozentsatz der ehrlichen Gebührenzahler und schließlich ein moralischer Appell, als „Fairness gegenüber allen“ formuliert.
Die Ergebnisse waren eindeutig. „Am effektivsten ist die rechtliche Drohung“, so Professorin Fellner. Um 15 Prozent stieg demnach die Anmelderate verglichen mit dem zuvor verwendeten Standardschreiben und zudem erfolgten die Reaktionen schneller. Einen minimalen und nur teilweise positiven Effekt hatte Fellner zufolge die soziale Information. Völlig verpufft sei dagegen der Appell an die Moral. Im Gegenteil: „Verschiedentlich waren daraufhin die Anmelderaten sogar rückläufig“, erkannten die Wissenschaftler. Eine mögliche Erklärung: „Appelle könnten als Schwäche der Behörde ausgelegt werden, gesetzliche Vorschriften auch durchzusetzen.“
Damit sei klar gewesen: „Den größten Erfolg verspricht fraglos eine Strategie, die auf den rationalen ‚homo oeconomicus‘ abzielt, der nur mit Geld motiviert werden kann“, folgert die in diesem Jahr an das Institut für Wirtschaftswissenschaften der Uni Ulm berufene 35-jährige Forscherin, für die bereits mehrere bemerkenswerte Auszeichnungen zu Buche stehen, darunter die Otto Hahn-Medaille der Max Planck-Gesellschaft für herausragende Leistungen von Nachwuchswissenschaftlern.
Praktische Auswirkungen freilich hatte die Studie in der Alpenrepublik bislang nicht. „Aber natürlich sind die Erkenntnisse auf andere Bereiche übertragbar“, erklärt Gerlinde Fellner, auf die Internet-Piraterie zum Beispiel oder die Parkgebühren. Unstrittig sei: „Abschreckung ist nur zu erzielen, wenn die Strafe hoch genug ist.“ Nur bezogen auf die Rundfunkgebühren ist die Fragestellung hierzulande nicht mehr relevant.
Von Willi Baur